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Menschliche Hindernisse für E-Mobilität

Menschliche Hindernisse für Elektromobilität

Deutschland hatte ursprünglich das Ziel, bis zum Jahr 2020 mindestens eine Million Elektroautos auf die Straßen zu bringen. Aktuell sind es gerade mal etwas mehr als 34.000 Fahrzeuge. Und wenn man die Eigenzulassungen der Automobilhersteller nicht mitberücksichtigt, sind es etwa 8.000 Fahrzeuge weniger. Angesichts der Tatsache, dass das Jahr 2020 nur noch 2,5 Jahre entfernt ist, erscheint das Ziel von einer Million Elektroautos mehr als nur unwahrscheinlich. Doch sind es nur technische Hindernisse, die die Ausbreitung verhindern?

Die deutsche Sicht ist ein Einzelfall

Immer wieder wird die Frage diskutiert, was eigentlich die wesentlichen Hindernisse sind, die der Elektromobilität im Wege stehen. Man muss hier zunächst feststellen, dass das ein sehr deutsches Problem ist. Aber auch Nachbarländer, allen voran Österreich, haben da ähnliche Sichtweisen. Auf der anderen Seite gibt es auch europäische Länder, wie Norwegen oder die Niederlande, die bei dem Thema schon deutlich weiter sind.

So haben die Niederlande ein zehn mal dichteres Netz an Ladeinfrastruktur als Deutschland und knapp 10 % aller Fahrzeuge sind Elektroautos (Stand 2015 mit steigender Tendenz).  In Norwegen sind Elektroautos schon seit vielen Jahren sehr angesagt, so dass deren Anteil bei deutlich über 25 % liegt. Beide Länder haben bereits angekündigt, in den kommenden Jahren keine Verbrenner mehr zuzulassen. Das Ende der Ära der Verbrennungsantriebe ist in diesen Ländern besiegelt.

Nun werden sich sicher einige denken, dass das bei so starker Förderung auch keine Kunst sei. Das ist aber so nicht korrekt, denn auch in der Schweiz, in der es keine Förderung gibt, sind Elektroautos sehr begehrt. Während im Bereich des Luxussegments im vergangenen Jahr Mercedes-Benz, BMW, Audi und Porsche zusammen 1.800 Einheiten verkauften, so brachte es allein der US-Amerikanische Elektroautopionier Tesla auf 1.300 Einheiten. In Frankreich werden Modelle, wie der Renault ZOE oder auch der japanische Nissan Leaf, sehr oft und immer mehr verkauft. Auch wenn der Anteil der Elektroautos in Frankreich bei 1,4 % liegt, so ist dieser verglichen mit Deutschland (0,7 %) noch doppelt so hoch. In Tirol sind derzeit nur 0,23 % der Fahrzeuge elektrisch betrieben.

Was man gut erkennt, ist die Tatsache, dass den Menschen insbesondere in Ländern, die nicht so stark oder gar nicht von der Autolobby abhängen, der Wechsel zu alternativen Antrieben leichter fällt. Deutschland hat eine sehr dominante Lobby, die dafür sorgt, dass die veraltete Technik möglichst lange am Leben erhalten wird. In Österreich sitzen viele Zulieferer der deutschen Autoindustrie, die dadurch ähnlich beeinflusst sind.

Schaut man auf Regionen außerhalb Europas, so erkennt man, dass in Märkten, wie Ostasien oder den USA, die Elektromobilität auch weit stärker ausgeprägt ist. In China ist die Zulassung eines Fahrzeugs mit konventionellem Verbrennerantrieb kaum möglich und gleicht einer Lotterie. China selbst hat mittlerweile eine starke Elektroauto-Industrie (z.B. BYD, Future Mobility), Japan hat mit Honda und Toyota zwei Pioniere der Brennstoffzellentechnik und der aus Korea stammende Hersteller Hyundai verfügt mit dem Ioniq über ein Modell, dass auch in Europa mittlerweile verfügbar und bezahlbar ist. In den USA hat Tesla im laufenden Jahr deutlich mehr Model S verkauft, als Mercedes-Benz S-Klasse, BMW 7er und Porsche Panamera zusammen.

Man erkennt hier deutlich, dass man die Sichtweisen und Erfahrungen in Deutschland keineswegs verallgemeinern sollte. Die großen Märkte auf der Welt haben sich schon deutlich weiter entwickelt.

Vorurteile ersetzen Erfahrung

Oft wird behauptet, dass die Elektromobilität nicht so gut anläuft, weil die technologischen Herausforderungen noch nicht gemeistert seien und diese Technik noch immer zu teuer und die Infrastruktur zu schlecht sei. Diese Einschätzung ist durchwegs falsch, auch in Ländern wie Deutschland oder Österreich.

Anschaffungspreis: Viele denken beim Thema Elektroauto sofort an Tesla und den relativ hohen Preis im sechsstelligen Bereich. Doch es gibt auch heute bereits die oben erwähnten bezahlbaren Modelle und weitere werden folgen. Nicht nur das Model 3 von Tesla, auch Opel steht, wenn auch mit Verzögerungen, mit dem Ampera E in den Startlöchern. All diese Modelle liegen im Preisbereich von 25.000 bis 45.000 Euro und sind damit preislich, von der Größe her als auch bezüglich der Reichweite vergleichbar mit einem konventionellen Mittelklassefahrzeug.

Infrastruktur: Auch wenn Tesla mit dem eigenen Supercharger-Netz einen klaren Pluspunkt für sich verbuchen kann, so gibt es auch andere Lademöglichkeiten, die vielfältig vorhanden sind. Man kann auch heute schon und das sogar in Deutschland, mit einem Renault ZOE oder einem Hyundai Ioniq von München nach Hamburg fahren, ohne signifikante Erhöhung der Reisedauer.

Menschliche Hindernisse: Umparken im Kopf

„Umparken im Kopf“ war vor einigen Jahren ein Werbeslogan von Opel und dieser beschreibt die wesentlichen Hindernisse auf dem Weg in die Elektromobilität sehr gut. Die größten, und wir würden aus unserer eigenen Erfahrung heraus sogar sagen, die einzigen Hindernisse befinden sich in den Köpfen der Kunden.

Die Frage ist nicht, ob wir die technologischen Herausforderungen bewältigen können. Diese sind längst bewältigt, was natürlich nicht bedeutet, dass es nicht noch besser geht und damit alles perfekt ist. Was bei vielen Kunden noch nicht bewältigt ist, ist die Fähigkeit, sich auf etwas Neues einzulassen. Und wenn man dies tut, wird man feststellen, dass es nicht so wild ist, wie man es sich zunächst vorgestellt hat.

Selbstverantwortung ist hier ein wichtiges Stichwort um diesen menschlichen Hindernissen zu begegnen. Es macht keinen Sinn, ständig zu monieren, wie schlecht alles sei und dass die Technologie fehlen würde. Es fängt bei jedem von uns allein an. Die Macht der Kunden ist größer, als man glaubt. Leihen Sie sich beispielsweise ein Elektroauto für einen Tag und probieren Sie diese Art der Fortbewegung einfach aus.

In diesen Tagen beklagen viele Nutzer in sozialen Netzwerken die anstehenden Fahrverbote in Städten wie Stuttgart, Düsseldorf oder München und weitere Städte werden folgen. Dass das kommen musste, war absehbar, denn die Überschreitungen der Grenzwerte kennen wir bereits seit vielen Jahren. Als Kunden können wir die ersten Schritte gehen. Technisch sind wir längst soweit, ob man im Kopf auch so weit ist, bestimmt jeder für sich selbst.

Ich freue mich auf Ihre Kommentare!

Beste Grüße,
Ihr Mario Buchinger

Weiterführende Quellen

  1. Teslas Verkaufserfolg in den USA des laufenden Jahres (Electrek)
  2. Teslas Dominanz bei den Luxuslimousinen im US-Markt 2016 (Bloomberg)
  3. Ende von Neuzulassungen von Verbrennern in Niederlanden und Norwegen (Golem)
  4. Umgang mit Elektromobilität in Europäischen Nachbarländern (N-TV)
  5. Elektromobilität in China (Manager-Magazin)
  6. China: Deutschland wird abgehängt (Handelsblatt)