Die Fossilindustrie trägt massiv zur Klimakrise bei. Das ist nicht Neues. Und mittlerweile gibt es auch Modelle um die finanziellen Schäden dadurch Erdöl- und Erdgasunternehmen zu beziffern. Lesen Sie im #RestartThinking Blog über die aktuelle Forschungslage.
Energie aus Millionen von Jahren wird binnen Sekunden verbrannt
Seit etwa 50 Jahren ist klar, dass sich die Ausbeutung und Nutzung von fossilen Energieträgern extrem schädlich auf unseren Lebensraum, unsere Gesundheit und Sicherheit auswirkt. Das CO2, welches in Pflanzen und Tieren gebunden und über Millionen von Jahren in der Erdkruste zu Kohlenwasserstoffverbindungen wurde, wird energieaufwändig und gesundheitsschädlich verarbeitet und häufig binnen Sekunden verbrannt. Die so entstehenden Mengen an freiwerdenden Treibhausgasen bringen das Klimasystem der Erde durcheinander.
Für die Erde ist das kein Problem – aber für uns. Wir Menschen sind auf stabile klimatische Bedingungen, wie sie in den letzten 10.000 Jahren geherrscht haben, gebunden. Und wir katapultieren uns gerade selbst hinaus.
Das Leugnen der Erdöl- und Erdgasindustrie
Das Wissen über den eigenen Einfluss und die Auswirkungen der Treibhausgase ist schon seit 50 Jahren da. Die Studien wurden teilweise auch von den Unternehmen selbst in Auftrag gegeben. Dennoch behauptete die Branche Erdöl- und Erdgasindustrie lange, man könne die Auswirkungen auf das Klima und damit auf unseren Lebensraum nicht klassifizieren und Schäden nicht zuordnen. Dabei ist es egal, ob die Ölunternehmen in privater oder in staatlicher Hand sind, anstatt die Geschäftsmodelle zu verändern, wurde geleugnet, Lobbyismus betrieben und in Desinformationskampagnen investiert.
Neue wissenschaftliche Ansätze
Daher finde ich die Studie von Christopher Callahan und Justin Mankin vom Dartmouth College in New Hampshire so spannend. Die Beiden beschäftigen sich mit der Zuordnungsforschung, auch Attributionsforschung, genannt.
Die Attributionsforschung ist Teil der Klimaforschung und betrachtet die Frage, welche Auswirkungen einzelne Beiträge auf die Klimaveränderung allgemein (z.B. Beitrag zur Erderhitzung) oder auf einzelne Extremwetterereignisse haben.
Bei der Studie von Callahan/Mankin ging es darum, den Treibhausgasausstoß der größten Unternehmen in der Fossilindustrie zu bewerten und zu prüfen, wie die Veränderung des Klimasystems ohne diese Emissionen ausgesehen hätte.
Wie sehr trägt die Fossilindustrie zu der Klimakrise bei?
Für die Berechnung wurde der Indikator Zunahme der heißesten 5 Tage pro Jahr (Tx5d) gewählt, denn damit lässt sich die Temperaturzunahme durch die ausgestoßenen Treibhausgase gut korrelieren.
Laut den Studienautoren wäre die Weltwirtschaft im Zeitraum von 1991 bis 2020 um 28 Billionen Dollar reicher gewesen, wenn die Schäden durch die Emissionen der 111 größten CO2-Verursacher nicht stattgefunden hätten. Das macht pro Jahr etwa 933 Milliarden Dollar Schäden weltweit. Die Zuverlässigkeit dieser Berechnungen liegt bei 90iger Wahrscheinlichkeit (very likely).
Bei einem anderem Faktor sind die Autoren sehr klar: Dass der Ausstoß der Fossilindustrie zur Klimakrise beiträgt und die hitzebedingten Schäden dadurch verursacht werden, ist sicher (virtually certain).
Die Top 5 der Emittenten – Best of Böse
In der Studie wurden beispielsweise die Top 5 der Fossillobby genauer betrachtet. Uns hier zeigt sich, dass es egal ist, ob die Unternehmen in Staatshand sind (z.B. Saudi Aramco, Gazprom) oder als private Unternehmen agieren (z.B. Chevron, ExxonMobil and BP). Die Schäden teilen sich leider gleich auf – je 14 Billionen Euro durch staatlich und privatwirtschaftliche Akteure. Hier das Best of Böse:
Verursachte globale Wirtschaftsverluste durch die Verstärkung von Extremhitzeevents (1991-2020)
Saudi Aramco | 2.05 Billionen Dollar (2.050.000.000.000) |
Gazprom | 2.00 Billionen Dollar (2.000.000.000.000) |
Chevron | 1.98 Billionen Dollar (1.980.000.000.000) |
ExxonMobil | 1.91 Billionen Dollar (1.910.000.000.000) |
BP | 1.45 Billionen Dollar (1.450.000.000.000) |
Mehr zu den genauen Berechnungen und der Schwankungsbreite finden Sie in der Studie, die am Ende des Blogs verlinkt ist.
Gewinne privatisieren, Schäden sozialisieren
Eine der Erfolgsgeschichten aus Sicht des Kapitalismus ist es Gewinne zu privatisieren und die Schäden zu sozialisieren. Scheinbar gut für die Unternehmen, schlecht für uns alle. Das gilt beispielsweise bei Schäden durch Glückspielssucht, Rauchen, Zucker oder Alkohol. Die Folgen zahlen alle in der Gesellschaft und der Versacherunternehmen sind meist fein raus. Bei der Fossilindustrie ist es genauso.
Demokratie und Rechtsstaatlichkeit
Und an diesem Punkt zeigt sich, warum es politische Anstrengungen braucht, um die entsprechenden Gesetzesgrundlagen für die Haftung zu schaffen. Anschließend können über Gerichte Unternehmen gezwungen werden für die verursachten Schäden aufzukommen.
Es gab bereits einige Gerichtsfälle, wo die Verschuldensfrage der Fossilindustrie diskutiert wurde. Bis dato wurden diese Fälle immer mit der Begründung abgelehnt, dass die Schäden nicht klar zuzuordnen oder zu beziffern seien. Mit der von Callahan und Mankin vorgestellten Vorgehensweise ist eine mögliche reproduzierbare Berechnungsmethode vorgelegt worden. Die Autoren geben auch zusätzliche Hinweise, welche weitere Forschung nötig ist und wie die Modelle noch genauer werden können.
Die größte Transformation der letzten 150 Jahre
Wie schon oft im #RestartThinking Blog erwähnt, befinden wir uns in der größten Transformation der letzten 150 Jahre. Es geht um nichts weniger als die Neugestaltung unserer Energiesystems, der Art und Weise wie wir produzieren und wie wir Wirtschaft gestalten. Unser momentanes Wirtschaftssystem ist auf riesige Verschwendung ausgerichtet. Die Ressourcen des Planeten sind aber endlich. Je schneller wir das verstehen und zu einem Wirtschaftssystem innerhalb der planetaren Grenzen kommen, desto besser ist es für uns, unsere Kinder und Enkel.
Die Macht der Öl- und Gasindustrie
Und da die Fossilindustrie seit 50 Jahren so irrsinnig hohe Gewinne einfährt – genauer gesagt 3 Milliarden Dollar PRO TAG – ist sie nicht daran interessiert dieses Geschäftsmodell zu verändern. Die Erlöse setzen sich aus zwei Teilen zusammen:
- Verkaufsserlösen: Im Sinne der Ölförderunternehmen sollten diese Erlöse immer möglich hoch sein und Vereinigungen, wie die OPEC, setzen sich dafür ein. Durch Quotenregelungen sollen die Mengen verknappt und damit die Preise hochgehalten werden.
- Dazu kommen noch die fossilen Subventionen vieler Staaten. In Deutschland sind das etwa 65 Milliarden Euro (!) pro Jahr. In Österreich etwa 5 Milliarden Euro.
Um dieses Geschäftsmodell am Laufen zu halten investieren die Player der Fossilindustrie in verschiedene Taktiken: Beispielsweise werden Politiker:innen unterstützt, um demokratische Systeme zu destabilisieren oder bestimmte Gesetzesintiativen zu verhindern. Zudem wird viel Geld in Desinformationskampagnen investiert um die Verantwortung abzustreiten, Zweifel an Alternativen zu wecken oder diese zumindest zu verzögern.
An dieser Stelle möchte ich nochmals das Buch von Christian Stöcker „Männer, die die Welt verbrennen“ empfehlen. Dort werden die oben genannten Zahlen näher erläutert und die Verbindungen der Fossillobby genauer betrachtet.
Hoffnung
Dennoch ist noch nicht aller Tage Abend. Denn selbst in den USA gibt es spannende Entwicklungen. Der Bundesstaat Vermont hat 2024 den „Climate Superfund Act“ erlassen. Dieses Gesetz verpflichtet Big Oil und andere Emittenten mit hohen Treibhausgasausstößen bei Katastrophenereignissen entweder selbst Instandhaltungsarbeiten zu übernehmen oder den Staat dafür zu bezahlen. Die Summen hängen von den Auswirkungen der Klimakrise in Vermont, den Schadenssummen bei Katastrophenereignissen und den Emissionen der Unternehmen von 1995 bis 2024 ab. Die sogenannte „fossil fuel bill“ diente auch anderen amerikanischen Bundesstaaten, wie Maryland oder New York, als Vorlage.
Auch wenn die amerikanische Politik und Rechtslage auf Staatsebene gelinde gesagt bescheiden ist, so haben die Bundesstaaten dennoch eine große Autonomie. Den Mut solche Gesetze durchzubringen sollten sich auch europäische Politiker:innen zu Herzen nehmen.
Denn eines ist klar, egal welche politische Führungsweisen an den Tag gelegt werden oder welche Akteure Desinformation verbreiten, die Physik verhandelt nicht. Die Veränderungen durch die menschgemachte Klimakrise werden immer stärker spürbar – es liegt an uns die Verbesserung umzusetzen.
Was können Sie tun?
- Stärken Sie demokratiepolitische Initiativen. Demokratie ist leider nicht selbstverständlich.
- Treiben Sie Ihre eigene Energiewende voran – die Möglichkeiten sind vielfältig. Im RestartThinking Blog finden Sie dazu Anregungen, wie die Energiewende gelingt, wie neue Formen der Mobilität aussehen und was Nachhaltigkeit für Unternehmen bringt.
- Machen Sie auf die immensen Profite der Fossilindustrien aufmerksam. Die Unternehmen erwirtschaften zu unseren Lasten ihre Profite. Das Wissen darüber ist ein wichtiger Schritt zur Veränderung.
Ein schneller und wirksamer Beitrag:
In Österreich ist derzeit die budgetäre Lage – sagen wir mal – angespannt. Die neue Dreierkoalition muss Milliarden Euro einsparen. Der aktuelle Budgetentwurf ist leider durch ÖVP, SPÖ und NEOS in punkto Klimatransformation überhaupt nicht ambitioniert. Beispielsweise wird der Klimabonus und Förderungen für die Umstellung auf klimafreundliche Heizungen sowie Sanierung eingestellt. Im Gegenzug dazu wird die Pendlerpauschale erhöht.
Seit letzter Woche gibt es daher eine Onlinepetition um endlich den Mut zu haben, klimaschädliche Subventionen abzubauen.
Unterstützen Sie diese Petition, denn wenn klimaschädliche Subventionen endlich gestrichen werden, erreicht man eine doppelte Lenkungswirkung: Weniger Klimaschäden, mehr Geld für sozial gerechten Klimaschutz. Vielen Dank fürs Mitmachen!
#RestartThinking
Veränderung. Denken. Können.
Herzliche Grüße
Marlene Buchinger

Marlene Buchinger, MSc.
Expertin für Klimatransformation und Nachhaltigkeit, Projektentwicklerin und Problemlöserin
Wir von Buchinger|Kuduz sind spezialisiert auf Strategie-, Prozess- und Klimatransformation. Mit mehr als 15 Jahren internationaler Erfahrung im Bereich Erneuerbare Energie und Projektmanagement stehe ich Ihnen als Sparringpartnerin zur Verfügung und entwickle nachhaltige und effiziente Prozesse.
Hinweis: Beitragsbild tlw. erstellt mit Google Gemini AI